Verfassungswidrige Kürzungen im Asylbewerberleistungsgesetz

Im Beschluss vom 18.7.2012 (1 BvL 10/10) zum Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) hat das Bundesverfassungsgericht die Regelungen des damaligen AsylbLG als evident verfassungswidrig verworfen und angeordnet, dass Leistungsberechtigte nach dem AsylbLG sofort deutlich höhere Leistungen erhalten. In dem Beschluss hat das BVerfG formuliert:

Migrationspolitische Erwägungen, die Leistungen an Asylbewerber und Flüchtlinge niedrig zu halten, um Anreize für Wanderungsbewegungen durch ein im internationalen Vergleich eventuell hohes Leistungsniveau zu vermeiden, können von vornherein kein Absenken des Leistungsstandards unter das physische und soziokulturelle Existenzminimum rechtfertigen [..]. Die in Art. 1 Abs. 1 GG garantierte Menschenwürde ist migrationspolitisch nicht zu relativieren.(Rn 121)

Nun haben Bundestag und Bundesrat mit Zustimmung der CDU, der SPD und der Grünen erneut drastische Kürzungen der Leistungen für Personen, die unter die Regelungen des AsylbLG fallen, beschlossen. Die Reform tritt schon zum 1.11.2015 in Kraft. Die Leistungen für Personen, die ausreisepflichtig sind, werden weit unter das Niveau gesenkt, das das BVerfG im Beschluss vom 18.7.2012 als Untergrenze vorgegeben hat. Die Leistungskürzung soll als Druckmittel fungieren, um die Ausreise zu erzwingen. Mit anderen Worten: Der Zweck heiligt die Mittel. Das ist mit dem Menschenwürdegrundsatz der Verfassung unvereinbar.

Die Sozialgerichte werden nun mit Eilanträgen und Klagen konfrontiert werden, die sich nicht gegen Verwaltungsentscheidungen richten, die gegen das Gesetz verstoßen, sondern die sich gegen ein Gesetz richten, das gegen das Grundgesetz verstößt. Wenn sie ihre Bindung an Recht und Gesetz ernst nehmen, müssen sie die Sache möglichst bald dem BVerfG vorlegen. Wenn die gesetzgebende Gewalt gegen das Recht verstößt, muss die rechtsprechende Gewalt die Geltung des Rechts durchsetzen. Sie verfügt über die Mittel dafür.
[Informationen zur Reform] [Interview mit Roland Rosenow auf Radio Dreyeckland zum Thema]

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