Teilhabestärkungsgesetz tritt in Kraft

Das Teilhabestärkungsgesetz [siehe Meldung von 18.1.2021, Regierungsentwurf, Dokumentation des parlamentarischen Vorgangs] wurde wie das KJSG am 22.4.2021 in der Fassung der Ausschussempfehlung vom 21.4.2021 vom Bundestag verabschiedet. Am 28. Mai 2021 hat der Bundesrat zugestimmt. Die Änderungen des SGB IX (Artikel 7) treten zum 1.1.2022 in Kraft.

Die für die Eingliederungshilfe nach dem 2. Teil des SGB IX wichtigsten Änderungen sind:

  • Wenn eine Person, die Leistungen nach dem SGB II („Hartz IV”) bezieht, Leistungen zur Teilhabe (§ 4 SGB IX) beantragt, muss der leistende Rehabilitationsträger – ggf. also auch der Träger der Eingliederungshilfe – das Jobcenter am Teilhabeplanverfahren beteiligen (Art. 7 Nr. 3: Ergänzung in § 19 Abs. 1 SGB IX). Die Änderung steht im Zusammenhang mit den Änderungen in des SGB II und des SGB III (Artikel 2 und 3) und mit Art. 7 Nr. 2 (Änderung von § 6 Abs. 3 SGB IX). Hintergrund ist ein Bericht der Internen Revision der Bundesagentur für Arbeit, der im Sommer 2018 öffentlich wurde und ans Licht brachte, dass die Jobcenter in Bezug auf die Kooperation mit den Rehabilitationsträgern nach § 5 SGB IX weitgehend versagen.
  • Mit § 37a SGB IX wird endlich eine Vorschrift in das übergreifende Recht der Teilhabeleistungen eingefügt, die die Leistungserbringer verpflichtet, geeignete Maßnahmen zum Schutz ihrer Klientinnen und Klienten zum Schutz vor Gewalt zu treffen (Art. 7 Nr. 7). Schon lange ist bekannt, dass Frauen mit Behinderungen viel öfter in ihrem Leben Gewalt erfahren, als andere Frauen und Mädchen, auch und gerade in Einrichtungen [Studie 2011]. Daher ist es skandalös, dass eine solche Vorschrift erst zehn Jahre nach dem Bundeskinderschutzgesetz vom 28.12.2011 erlassen wird – aber besser spät als nie. Zugleich bekräftigt die systematisch richtige Verortung zwischen §§ 37 und 38 SGB IX, dass diese Vorschriften für das Recht der Eingliederungshilfe gelten – so zB. auch § 38 Abs. 1 Nr. 7 SGB IX, eine Vorschrift, die mit dem Bundeskinderschutzgesetz zum 1.1.2012 eingefügt wurde, aber in der Eingliederungshilfe weitgehend unbeachtet blieb.
  • 99 SGB IX, die Vorschrift, die den Zugang zur Eingliederungshilfe regelt, wird neu gefasst. Die Lösung wurde lange diskutiert, nachdem die von der Bundesregierung in Auftrag gegebene Untersuchung zu der zunächst vorgesehenen Fassung gezeigt hatte, dass diese Lösung nicht geeignet war [BT-Drucksache 19/4500]. Die neue Vorschrift enthält eine Verordnungsermächtigung (Abs. 4), die vorsieht, dass §§ 1 bis 3 der vormaligen Eingliederungshilfeverordnung weiter gelten, bis eine neue Verordnung erlassen sein wird. Der Gedanke, den Zugang zur Eingliederungshilfe durch eine Rechtsverordnung zu konkretisieren, geht auf das Bundessozialhilfegesetz vom 30.6.1961 zurück (§ 47 BSHG idF v. 30.6.1961). Zu diesem Zeitpunkt wurden Leistungen zur Teilhabe noch nicht als Leistungen verstanden, die bereits von Verfassungs wegen geschuldet sind. Spätestens seit dem Inkrafttreten der UN-Behindertenrechtskonvention besteht jedoch ein verfassungsrechtlicher Hintergrund (BVerfG, 14.10.2004, 2 BvR 1481/04 und 23.3.2011, 2 BvR 882/09), der die Konkretisierung des Zugangs zu den Leistungen durch Verordnungsrecht problematisch erscheinen lässt. Das wird bei der Auslegung der Verordnung zu berücksichtigen sein.

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