LSG Essen verurteilt Sozialamt zur Übernahme der Kosten einer persönlichen Nachtwache

Am 20.12.2012 (Az. L 9 SO 607/10 ) hat das Landessozialgericht Essen in zwei Fällen entschieden, dass die Kosten einer persönlichen Nachtwache vom Sozialhilfeträger im Rahmen der Eingliederungshilfe in bestimmten Fällen zu übernehmen sind – zusätzlich zu den Kosten für eine stationäre Einrichtung der Eingliederungshilfe. Die beiden geistig und seelisch behinderten jungen Männer hatten im Jahr 2006 gemeinschaftlich eine Frau vergewaltigt. Im Strafverfahren wurden die Voraussetzungen für eine Unterbringung im Maßregelvollzug (§ 63 StGB) verneint. Beide leben in unterschiedlichen stationären Einrichugnen der Eingliederungshilfe. Zusätzlich zu den nach § 76 Abs. 1 SGB XII vereinbarten Leistungen der Einrichtung ist in beiden Fällen eine persönliche Sitzwache vor dem Zimmer des Bewohners während der Nacht erforderlich, um die übrigen Bewohnerinnen und Bewohner der Einrichtung zu schützen.

Damit setzt sich eine Entwicklung fort, die im Zeichen der UN-Behindertenrechtskonvention und der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes vom 23.11.2011 zur Zwangsbehandlung im Maßregelvollzug [2 BvR 882/09] steht: Schwerwiegende Eingriffe in grundgesetzlich geschützte Rechtsgüter wie körperliche Unversehrtheit und Freiheit werden von der Rechtsprechung nicht mehr mit mehr oder weniger offen ausgespochenen Kostengründen gerechtfertigt. Höhere Kosten für  den Sozialhilfeträger können kein Grund mehr dafür sein, dass Menschen ihrer Freiheit ganz oder teilweise beraubt oder gar zeitweise an ihr Bett gefesselt werden.

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