Kinder- und Jugendstärkungsgesetz tritt in Kraft

Kurz vor dem Ende der Legislaturperiode hat das Kinder- und Jugendstärkungsgesetz (KJSG) die letzte Hürde genommen. Zuvor hatte der Familienausschuss des Bundestages sich umfangreiche Änderungen des Regierungsentwurfes (Bundestagsdrucksache 19/26107) verständigt. Das Gesetz tritt in der Fassung in Kraft, die dieser Entwurf durch die Beschlussempfehlung des Ausschusses (Bundestagsdrucksache 19/28870) erlangt hat. Die Dokumente des parlamentarischen Verfahrens sind hier zu finden. Auf einige wenige Aspekte der Reform möchte ich besonders hinweisen:

  • 9a SGB VIII verpflichtet die Träger der Kinder- und Jugendhilfe künftig, unabhängige Ombudsstellen einzurichten.
  • Der Verlagerung der Betreuung in Notsituationen in die Hilfen zur Erziehung, die die Bundesregierung vorschlagen hatte, hat der Bundestag nicht zugestimmt. Stattdessen wurde § 20 SGB VIII moderat reformiert. Damit ist ein Teil der Probleme, die mit dem Vorschlag verbunden waren, gelöst. Andererseits ist im Verhältnis zur alten Rechtslage auch nicht viel gewonnen [zum Hintergrund].
  • Die „inklusive Lösung” – also die Zusammenführung der Eingliederungshilfe für junge Menschen mit einer geistigen oder körperlichen Behinderung, für die bislang der Träger der Eingliederungshilfe zuständig ist, mit der Eingliederungshilfe nach § 35a SGB VIII für jungen Menschen mit einer seelischen Behinderung – ist im Gesetz enthalten und auch wieder nicht: Im KJSG ist eine Regelung enthalten, die besagt, dass die Gesamtzuständigkeit der Jugendämter für alle Ansprüche auf Eingliederungshilfe junger Menschen nach einer siebenjährigen Übergangsfrist kommen soll, wenn ein künftiger Gesetzgeber ein entsprechendes Gesetz erlässt. Das ist eine recht eigenwillige Konstruktion, mit der eigentlich nur eines erreicht wird: Erstmal bleibt auf Jahre alles, wie es ist. Wenn es nicht starke politische Kräfte gäbe, die genau das wollen, hätte man das wohl nicht so geregelt – genauer gesagt: nicht so nicht
  • Leider konnte der Gesetzgeber sich nicht dazu durchringen, die in § 107 SGB VIII normierte „Übergangsregelung”, die die Bundesregierung vorgeschlagen hatte, zu kippen. Nun schreibt diese Vorschrift bereits jetzt vor, dass die (vielleicht) kommende Reform der Teilhabeleistungen (Eingliederungshilfe) für junge Menschen mit dem Ziel gestaltet werden soll, „den leistungsberechtigten Personenkreis, Art und Umfang der Leistungen sowie den Umfang der Kostenbeteiligung für die hierzu Verpflichteten nach dem am 1. Januar 2023 für die Eingliederungshilfe geltenden Recht beizubehalten” (§ 107 Abs. 2 S. 2 SGB VIII nF). Das erinnert an einen Satz, der Charles-Maurice de Talleyrand (1754 bis 1838) zugeschrieben wird, der der vielleicht erfolgreichste Opportunist der Weltgeschichte war: „Die wichtigste Kunst des Politikers besteht darin, neue Bezeichnungen für alte Einrichtungen zu finden, deren alte Bezeichnungen in der Öffentlichkeit anstößig geworden sind.”

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