Eingliederungshilfe: Kein Widerruf der Bewilligung eines persönlichen Budgets

Mit Urteil vom heutigen 11. August 2022 hat das Bundessozialgericht (BSG) entschieden, dass ein Bescheid, mit dem ein persönliches Budget bewilligt worden ist, nicht wegen zweckwidriger Verwendung des Budgets nach § 47 SGB X widerrufen werden kann (B 8 SO 3/21 R - Terminsbericht). Gegenstand des Verfahrens sind Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem vormaligen Recht der Sozialhilfe (SGB XII). Die Entscheidung ist auf das neue Recht der Eingliederungshilfe (SGB IX Teil 2) übertragbar.

In dem Fall, der dem Urteil zugrunde liegt, war der Sozialhilfeträger der Auffassung, der Budgetnehmer habe das persönliche Budget nicht bestimmungsgemäß verwendet. Da die Bewilligung des persönlichen Budgets zu Recht erfolgt war, kam eine Rücknahme der Bewilligung nach § 45 SGB X ebenso wenig in Betracht wie eine Aufhebung nach § 48 SGB X. Der Sozialhilfeträger erließ daher einen Widerrufsbescheid nach § 47 SGB X, verbunden mit einem Erstattungsbescheid nach § 50 SGB X, und forderte mehr als 250.000 € von der leistungsberechtigten Person zurück. Widerspruch und Klage bleiben erfolglos (erste Instanz: Sozialgericht Koblenz, 3.4.2019, S 1 SO 164/17 - unveröffentlicht). Das Landessozialgericht Rheinland-Pfalz wies auch die Berufung der leistungsberechtigten Person zurück und ließ die Revision nicht zu (26.11.2020, L 1 SO 91/19 - verfügbar in juris).

Der Kläger hatte jedoch mit der Nichtzulassungsbeschwerde zum BSG und im Anschluss der Revision Erfolg. Das BSG hob den Widerrufs- und Erstattungsbescheid und damit auch die Urteile der Instanzgerichte auf. Die schriftliche Urteilsbegründung wird voraussichtlich erst in einigen Monaten vorliegen. Im Terminsbericht führt der 8. Senat des BSG aus, dass ein Bescheid, mit dem Leistungen der Eingliederungshilfe in Form eines persönlichen Budgets bewilligt worden sind, nicht nach § 47 SGB X widerrufen werden kann. Auch eine Umdeutung in einen Rücknahmebescheid nach § 45 SGB X oder einen Aufhebungsbescheid nach § 48 SGB X schied in diesem Fall aus. Beides setzt voraus, dass der Bewilligungsbescheid sich als rechtswidrig erweist – sei es, weil er von Anfang an rechtswidrig war, sei es, weil er wegen Änderungen der Verhältnisse, auf denen er beruht, rechtswidrig wurde.

Die Entscheidung hat weitreichende Folgen: Aus ihr folgt, dass Leistungsberechtigte, die ein persönliches Budget in Anspruch nehmen, keinen Verwendungsnachweis über die Verwendung der Mittel erbringen müssen. Dies hatte sich im Urteil des BSG vom 28.1.2022 (B 8 SO 9/19 R) bereits angedeutet (Meldung vom 17.10.2021). Im Terminsbericht der aktuellen Entscheidung weist das BSG darauf hin, dass der Träger der Eingliederungshilfe nicht berechtigt ist, mit der Bewilligung des persönlichen Budgets „eine originäre Zweckbestimmung” oder „daraus resultierende Verhaltenspflichten” zu verbinden. Das Urteil ist damit nach dem o.g. Urteil des BSG vom 28.1.2021 ein weiterer Meilenstein auf dem beschwerlichen Weg zu einer Praxis, die die Potentiale des Anspruchs auf ein persönliches Budget im Interesse der Leistungsberechtigten fruchtbar macht.

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