Durchsetzbarkeit des Anspruchs auf ein persönliches Budget

Bis heute ist umstritten, ob der Anspruch auf ein persönliches Budget (§ 17 SGB IX) auch dann besteht, wenn der Berechtigte und der Rehabilitationsträger keine Zielvereinbarung (§§ 3, 4 BudgetV) geschlossen haben. Das LSG Baden-Württemberg betrachtet das Vorhandensein einer Zielvereinbarung als Element des Tatbestandes, der Voraussetzung für den Anspruch auf ein persönliches Budget ist (LSG Baden-Württemberg, L 5 R 3442/11, vgl. a. die Übersicht der Lebenshilfe). Das Urteil wurde zwar nicht rechtskräftig. Die durch das BSG zugelassene Revision führte zu einem Vergleich (Verfahrensbericht). Dennoch wird es in der Kommentarliteratur als Beleg für die Auffassung zitiert, dass der Anspruch auf eine persönliches Budget ohne Zielvereinbarung entfalle (Wehrhahn in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 57 SGB XII, Rn. 28; Luthe in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IX, 2. Aufl. 2015, § 9 SGB IX, Rn. 61).

Die Behandlung der Zielvereinbarung als Tatbestand hat zur Folge, dass dem Rehabilitationsträger die Möglichkeit eingeräumt wird, den Anspruch auf ein pB zu vereiteln, indem er keine Zielvereinbarung schließt. Dieses Ergebnis ist nicht vereinbar mit § 159 Abs. 5 SGB IX, denn danach besteht ein nicht zur Disposition des Rehabilitationsträgers stehender Rechtsanspruch auf ein pB. Überzeugend ist dagegen die Auffassung, dass die Inhalte der Zielvereinbarung als paktierte Nebenbestimmung zum Verwaltungsakt, mit dem das pB bewilligt wird, zu verstehen sind (Welti, Rechtsfragen des persönlichen Budgets nach § 17 SGB IX, S. 25). Kommt sie nicht zu Stande, ist sie durch Nebenbestimmungen (§ 32 SGB X) zu ersetzen.

Nun hat das Sozialgericht Mannheim diese Auffassung bestätigt (Urteil vom 02.08.2016, S 9 SO 3871/15). Danach besteht der Rechtsanspruch auf ein persönliches Budget auch ohne Zielvereinbarung. Der Rehabilitationsträger muss die Zielvereinbarung dann durch Nebenbestimmungen zum Bescheid (§ 32 SGB X) ersetzen. Das Urteil ist von weitreichender Bedeutung, denn das geplante Bundesteilhabegesetz sieht vor, dass die Regelung zur Zielvereinbarung aus der Budgetverordnung in das SGB IX übernommen wird (§ 29 SGB IX-Entwurf).

Eine weitere Stärkung hat der Anspruch auf ein persönliches Budget durch eine kurz danach ergangene Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes erfahren. Das BVerfG hat eine Entscheidung des LSG Rheinland-Pfalz, mit der ein Eilantrag auf Bewilligung eines persönlichen Budgets zurückgewiesen worden war, aufgehoben und die Sache an das LSG zurückverwiesen (BVerfG, 12.09.2016, 1 BvR 1630/16). Das BVerfG begründet die Entscheidung insbesondere mit der Rechtsweggarantie aus Art. 19 Abs. 4 GG.

Mit diesen Entscheidungen sollte es endlich zum Regelfall werden, dass der Anspruch auf ein persönliches Budget auch im einstweiligen Rechtsschutz durchgesetzt werden kann. Bislang ließ sich das oft nur mit einer Hilfskonstruktion erreichen: Wenn gleichzeitig mit dem Antrag auf ein persönliches Budget ein ausdrücklicher Antrag auf Bewilligung eines Vorschusses gem. § 42 SGB I gestellt wird, kann der Eilantrag vor dem Sozialgericht auf § 42 Abs. 1 Satz 2 SGB I gestützt werden (SG Braunschweig, 13.11.2013, S 31 KR 467/13 ER).

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