Bundesverwaltungsgericht hält BAföG-Sätze für verfassungswidrig

Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat mit Beschluss vom 20.5.2021 (Aktenzeichen 5 C 11.18) entschieden, dass das BAföG gegen die Berufsfreiheit (Art. 12 GG) und den Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) verstößt, weil die Berechnung der Höchstbeträge für die Ausbildungsförderung nicht nachvollziehbar ist [Pressemitteilung BVerwG]. Weil nur das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) Gesetze, die der Bundestag erlassen hat, für verfassungswidrig erklären darf, hat das BVerwG das Verfahren gem. Art. 100 Abs. 1 GG ausgesetzt und die Frage, ob die Höchstbeträge der Ausbildungsförderung verfassungswidrig sind, dem BVerfG zur Entscheidung vorgelegt.

Seit dem „Hartz-IV”-Urteil des BVerfG vom 9.2.2010 ist eigentlich nicht zu übersehen, dass die Höchstbeträge nach dem BAföG mit dem Grundgesetz nicht vereinbar sein können. Dennoch hat es mehr als elf Jahre gedauert, bis diese Frage in Karlsruhe angekommen ist.

Das BVerwG hat seinen Vorlagebeschluss nach der mündlichen Verhandlung am 20.5.2021 gefasst und verkündet. Es muss den Beschluss nun schriftlich begründen, bevor das BVerfG sich mit der Sache befasst. Anders als von der Klägerin vertreten hat das BVerwG keinen Verstoß gegen den Menschenwürdegrundsatz aus Art. 1 Abs. 1 GG festgestellt, sieht aber Art. 3 und Art. 12 GG verletzt. Die Vorinstanz, das Oberverwaltungsgericht Lüneburg, hatte die Berufung zwar zurückgewiesen, aber die grundsätzliche Bedeutung der Sache anerkannt und die Revision zugelassen (OVG Lüneburg, Beschluss vom 27.11.2018, Aktenzeichen 4 LC 392/16).

Die Klägerin verfolgte, vertreten durch Rechtsanwalt Joachim Schaller, von Beginn des Verfahrens an systematisch das Ziel, die Höchstbeträge der Ausbildungsförderung und damit bestehende gesetzliche Regelungen vor dem BVerfG anzufechten. RA Schaller informiert öffentlich und detailliert über das Verfahren [Info von Joachim Schaller]. Auch seine ausführliche Revisionsbegründung hat er auf seiner Website publiziert. Das Verfahren ist ein Paradebeispiel für gelungenes cause lawyering. Dass das BVerwG sich der Auffassung der Klägerin anschloss und die Frage dem BVerfG vorlegt, ist ein großer Erfolg und verbessert die Chancen erheblich, dass das BVerfG den Gesetzgeber zwingt, für das BAföG dieselben Grundsätze gelten zu lassen, die seit dem Urteil des BVerfG vom 9.2.2010 zum Aktenzeichen 1 BvL 1/09 für die wirtschaftliche Grundsicherung gelten.

Ausgehend von den Erfahrungen der vergangenen Jahre muss damit gerechnet werden, dass das Verfahren beim BVerfG in Karlsruhe mehrere Jahre in Anspruch nehmen wird. Es ist ratsam, gegen alle BAföG-Bescheide Widerspruch einzulegen. Die Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW) stellt dafür ein Musterschreiben zur Verfügung [Infos GEW; Musterschreiben Widerspruch]. Nur wer gegen einen BAföG-Bescheid rechtzeitig Widerspruch einlegt, kann von einer positiven Entscheidung des BVerfG profitieren. Wenn die Bescheide bestandskräftig werden, besteht später auch dann kein Anspruch auf Korrektur, wenn das BVerfG die Höchstbeträge nach dem BAföG für verfassungswidrig erklärt (§ 79 Abs. 2 S. 1 BVerfGG).

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