Begründung des Vorlagebeschlusses des SG Mainz zu den "Mietobergrenzen" im Rahmen der wirtschaftlichen Grundsicherung liegt vor (SG Mainz, 12.12.2014, S 3 AS 130/14)

Das SG Mainz hat am am 12.12.2014 entschieden, dass § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II insofern verfassungswidrig ist, als der Anspruch auf Übernahme der Aufwendungen für die Unterkunft zwar begrenzt, aber nicht hinreichend bestimmt ist. Die schriftliche Begründung des Vorlagebeschlusses des SG Mainz vom 12.12.2014 liegt nun vor und steht hier zum Download zur Verfügung. Das SG Mainz hat dem BVerfG folgende Frage gem. Art. 100 GG zur Prüfung vorgelegt:

Ist § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II [..]  mit Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG) i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG - Sozialstaatlichkeit - und dem sich daraus ergebenden Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums vereinbar, soweit nach dessen 2. Halbsatz die für die Höhe des Anspruchs auf Grundsicherungsleistungen nach §§ 19 Abs. 1, 19 Abs. 3 S. 1 SGB II maßgeblichen Bedarfe für Unterkunft und Heizung lediglich anerkannt werden, soweit die tatsächlichen Aufwendungen hierfür angemessen sind, ohne dass der Gesetzgeber nähere Bestimmungen darüber getroffen hat, unter welchen Umständen von unangemessenen Aufwendungen auszugehen ist?

§ 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II begrenzt den Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung für die Unterkunft mit nur vier Worten: "…, soweit diese angemessen sind". Die 3. Kammer des SG Mainz hat jetzt entschieden, dass diese Vorschrift dadurch gegen die Verfassung verstößt, dass sie zu unbestimmt ist. Aus ihr lässt sich kein bezifferbarer und damit klagbarer Anspruch auf Leistungen ableiten. Der Gesetzgeber ist nicht befugt, die Ausgestaltung des Anspruchs auf ein soziokulturelles Existenzminimum an die Verwaltung oder die Gerichtsbarkeit zu delegieren. Er ist vielmehr verpflichtet, den Anspruch auf eine ein menschenwürdiges Dasein sichernde wirtschaftliche Grundsicherung als konkreten und bestimmten Anspruch einfachgesetzlich auszugestalten.

Die Tragweite des Beschlusses geht über die Problematik der in der Praxis so genannten "Mietobergrenzen" weit hinaus: Das SG Mainz setzt sich mit der Rechtsprechung des BVerfG zum Anspruch auf eine wirtschaftliche Grundsicherung grundsätzlich auseinander. Dabei erweist sich, dass die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung zur Existenzsicherung bislang weder ausgereift, noch widerspruchsfrei ist. Der Beschluss ist damit auch ein wichtiger Beitrag zu der juristischen Debatte um die Frage, wie weit der menschenrechtliche Anspruch auf eine das soziokulturelle Existenzminimum sichernde Leistung reicht.

[SG Mainz, 12.12.2014, S 3 AS 130/14 Volltext] [SG Mainz, 12.12.2014, S 3 AS 130/14 gekürzte Fassung] [Kurzzusammenfassung]

Wir nehmen den Beschluss zum Anlass, noch einmal auf zwei von uns eingelegte Verfassungsbeschwerden zum Thema der Angemessenheit von Unterkunftskosten hinzuweisen: [Verfassungsbeschwerde zur Angemessenheitsgrenze nach "schlüssigem Konzept"] [Verfassungsbeschwerde zur AngemessenheitsOBERgrenze]

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