Mindestkostenbeitrag in Höhe des Kindergeldes auch bei Inobhutnahme

Die Begründung des Urteils des BVerwG vom 21.10.2015 zum Kostenbeitrag im Fall von Inobhutnahmen nach § 42 SGB VIII liegt nun vor. Das Jugendamt erhebt für Leistungen und Maßnahmen der Kinder- und Jugendhilfe nach Maßgabe der §§ 90 ff. SGB VIII Kostenbeiträge von den Eltern. Die Höhe der Kostenbeiträge richtet sich nach dem Einkommen. Wenn das Jugendamt vollstationäre Leistungen erbringt, wird stets ein Kostenbeitrag in Höhe des Kindergeldes erhoben (§ 7 Nr. 1 Kostenbeitragsverordnung). Das gilt auch dann, wenn das Einkommen der Eltern so gering ist, dass nach der Kostenbeitragstabelle kein Kostenbeitrag zu entrichten ist.

Nach dem Wortlaut der Verordnung gilt das nicht für Maßnahmen und damit nicht für Inobhutnahmen nach § 42 SGB VIII. Der VGH Mannheim hat deshalb entschieden, dass der ein Kostenbeitrag in Höhe des Kindergeldes bei einer Inobhutnahme nicht zu erheben ist, wenn das Einkommen unterhalb des Freibetrages liegt (VGH Mannheim, 20.12.2014, 12 S 494/12). Das BVerwG hat dieses Urteil mit Urteil von 21.10.2015 aufgehoben und entschieden, dass die Regelung des § 7 Nr. 1 KostenbeitragsVO auch für Inobhutnahmen gilt (BVerwG, 21.10.2015, 5 C 21.14).

Dieses Ergebnis erscheint mit der Wortlaut der einschlägigen Regelungen des SGB VIII kaum vereinbar. Der Senat begründet seine Entscheidung mit dem Argument, der im SGB VIII legal definierte Begriff der „Leistung“ werde im Kostenbeitragsrecht nicht in dem Sinn verwendet, der im SGB VIII definiert und auch ansonsten konsistent verwendet werde. Das Kostenbetragsrecht sei vielmehr unter Zugrundelegung eines eigenständigen Begriffs der „Leistung“ auszulegen, der sich nicht aus der Definition des Gesetzgebers, sondern aus dem allgmeinen Sprachgebrauch ergebe.

Das Argument, es sei auch vom Ergebnis her angemessen, im Fall einer Inobhutnahme keinen Kostenbetrag nach § 7 Nr. 1 der Kostenbeitragsverordnung zu erheben, weil das Gesetz Inobhutnahmen nur als kurzfristige Maßnahmen versteht, die so schnell als möglich durch eine geeignete Hilfe zur Erziehung zu ersetzen sind und weil in dieser Zeit die Hilfe für die Familie im Vordergrund stehen sollte, ließ das BverwG nicht gelten: Denn tatsächlich dauerten Inobhutnahmen in einem Drittel der Fälle länger als 14 Tage.

Die Begründung ist in methodischer Hinsicht methodisch nicht überzeugend. Der Gesetzgeber hat den Begriff der „Leistung“ im SGB VIII in Abgrenzung zu dem Begriff der „anderen Aufgaben“ des Jugendamtes definiert und verwendet den Begriff auch konsistent. Die Girlanden, mit denen der Senat das Überschreiten der Wortlautgrenze ausschmückt, können nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Gründe dieses Urteils sich weniger im Gesetz als in normativen Wertungen des Senats finden.

BVerwG, 21.10.2015, 5 C 21.14

 

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